Medienpädagogische Konzepte

Mit der Bezeichnung als "Integrativer Ansatz" wollte Doelker ursprünglich im Zürcher Ansatz den Verzicht auf einen einzigen theoretischen Ansatz deutlich machen (1997, S. 3). Wenn auch dieser Begriff in der Folge eine "Bezeichnungskarriere" durchlief (Doelker 1997, S. 3), so soll hier an dieser Tradition angeknüpft und der Versuch gemacht werden, verschiedene medienpädagogische Konzeptionen zu integrieren.

Dies scheint mir nach wie vor sinnvoll, da jede der traditionellen Konzeptionen wichtige Akzente setze, jede aber auch wieder ihre Schwächen hat. Wo es nun darum geht, konkrete Vorschläge für die Praxis zu machen, muss der Versuch einer Synthese gemacht werden.

Baacke (1979) weist darauf hin, dass medienerzieherische Konzepte in der Regel Bezüge zu medientheoretischen Annahmen enthalten und entwickelt auf einer Unterscheidung von vier medientheoretischen Ansätzen entsprechende Überlegungen (vgl. Tulodziecki 1997, S. 82ff.).

Dabei erwähnt er als Konzepte das Stimulus-Response-Konzept, das systemtheoretisch-funktionalistische Konzept, das kritisch-materialistische Konzept und das interaktionistisch-handlungstheoretische Konzept, die je verschiedene Phasen in der Entwicklung der Medienwissenschaft in besonderem Masse geprägt haben.

Tulodziecki (1997, S. 82-105) stellt unter Aufarbeitung der entsprechenden Literatur folgende fünf Konzepte der Medienerziehung dar:

       

Behütend-pflegende Medienerziehung

Die historischen Wurzeln dieses Ansatzes reichen in die Zeit der aufkommenden Massenpresse Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, teilweise auch noch weiter zurück. Angst vor der Gefährdung durch "Groschenhefte", später auch vor schädlichen Einflüssen der Filme spielten dabei eine wesentliche Rolle. Bei jedem Aufkommen eines neuen Mediums kommen schliesslich wieder ähnliche Bedenken auf (vgl. z.B. Bettelheim 1988, Sacher 1996). Zwei Prinzipien prägen die behütend-pflegende Medienerziehung

Als positive Aspekte dieses Ansatzes bezeichnet Tulodziecki (1997, S. 88-90), dass teilweise Kinder und Jugendliche tatsächlich geschützt werden müssen vor ungeeignetem Angebot und dass die Auseinandersetzung mit wertvollen Medien und ihrer Sprache nach wie vor ihren Platz haben. – In dieser Ausschliesslichkeit genügt der Ansatz jedoch nicht mehr. Mit zunehmendem Medienangebot und erleichtertem Zugang für alle ist eine ständige Kontrolle im Sinne der Behütung gar nicht mehr realisierbar. Ebenfalls blendet der Ansatz auch die Einbettung von Medium oder Rezipient in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext aus. Ein Grundproblem ist schliesslich, dass Kinder und Jugendliche letztlich als unmündige Rezipienten verstanden und gerade in dieser Mündigkeit auch zuwenig gefördert werden.

 

Ästhetisch-kulturorientierte Medienerziehung

Beim ästhetisch-kulturorientierten Konzept geht es im Gegensatz zum bewahrend-pflegenden Ansatz um eine positive Forderung, in der sowohl kritisches Urteilsvermögen, als auch Wertschätzung und Verständnis des Mediums als Kunstform gefördert werden sollen. In der Auseinandersetzung mit dem Medienbeitrag soll sich auch eine eigenständige Urteilsbildung und damit die Fähigkeit entwickeln, sich der Suggestivkraft unangemessener Darstellungen zu entziehen. In Anlehnung an Peters (1963) nennt Tulodziecki (1997, S. 91) folgende Ziele und Aufgaben:

Als mögliche Methoden zur Umsetzung können dienen:

Als Schwächen nennt Tulodziecki (S. 93f.):

Trotz dieser Schwächen ist ein Verdienst dieses Ansatzes, dass er visuelle Bildung fordert und den Film als eigenständige Kunstform in den Kontext der Kunsterziehung stellte. Zudem begründete er die aktive Filmarbeit als wichtige Methode in der Medienerziehung. Wesentliche Impulse erfuhr dieser Ansatz beispielsweise auch durch Doelker (1991a) mit der Darstellung einer Kulturtechnik Fernsehen.

 

Funktional-systemorientierte Medienerziehung

Im Zusammenhang mit systembezogenen Überlegungen kamen zunehmend neben Schriften und Filmen auch andere Medien ins Blickfeld und die Konzentration auf das Verhältnis "Medium-Rezipient" wurde mehr und mehr aufgegeben. Das Ziel einer Erziehung zum mündigen Rezipienten nimmt hier wichtige Bedeutung ein und in Anlehnung an Kommunikationsmodelle werden die verschiedenen Konstituenten im Kommunikationsprozess betrachtet. Nachricht, Bild, Fiktion und Realität, die Struktur medialer Aussagen, Funktion der Überschrift, Werbeaspekte, Rolle des Menschen usw. werden als konkrete Unterrichtsgegenstände genannt.

Kritikpunkte sieht Tulodziecki (1997, S. 96f.) vor allem folgende:

Positive Aspekte sieht Tulodziecki (1997, S. 97) in der Betonung, dass die Ziele der Medienerziehung im Kontext allgemeiner Erziehungsziele stehen und insbesondere der Leitidee der Mündigkeit verpflichtet sind; zudem wird darauf hingewiesen, dass Medien und Medienerziehung wichtige Funktionen im Hinblick auf Demokratie und Kultur haben und dabei stets in einem komplexen Feld von Einflussfaktoren zu sehen sind.

 

Kritisch-materialistische Medienerziehung

Medienkritik als Gesellschaftskritik und Herstellen von Gegenöffentlichkeit sind die Prinzipien kritisch-materialistischer Medienerziehung. Dieser geht es darum,

Kritisch erwähnt Tulodziecki (1997, S. 99f.):

Positive Aspekte sieht Tulodziecki darin, dass die gesellschaftliche Dimension der Massenkommunikation einer kritischen Analyse zugänglich gemacht wird und der Zusammenhang von Medienproduktion, Medienverbreitung und Medienrezeption hervorgehoben wird. Zudem machten die Vertreter des Ansatzes darauf aufmerksam, dass eine Gefährdung von Medien nicht nur für die Einzelnen, sondern auch für die demokratische Gesellschaft insgesamt ausgehen kann. Schliesslich hat der Ansatz ein besonderes Verdienst darin, dass er mit Nachdruck auf die Bedeutung des selbständigen Arbeitens zur kreativen Gestaltung eigener Aussagen hingewiesen hat, um Öffentlichkeit für eigene Interessen herzustellen.

 

Handlungs- und interaktionsorientierte Medienerziehung

Der Handlungs- und interaktionsorientierte Ansatz entstand einerseits aufgrund der verschiedenen Schwierigkeiten der übrigen Ansätze, anderseits auch in Folge der Entwicklung medientheoretischer Ansätze, die zunehmend den Rezipienten mit seinen Bedürfnissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Lebensbedingungen sowie die Mediennutzung als interaktiven Prozess in sozialen Kontexten betonten (vgl. Tulodziecki 1997, S. 101).

Der Ansatz begreift Mediennutzung als soziales Handeln und geht von einem Wechselverhältnis zwischen Medien und Rezipienten aus. Das Individuum wendet sich mit seinen Bedürfnissen, Erwartungen und Vorstellungen in grundsätzlicher Entscheidungsfreiheit den Medien zu, diese bieten allerdings nur vorgeformte Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung, wirken aber in ihrer Gesamtheit auch wieder auf Bedürfnisse, Vorstellungen und Erwartungen ihrer Nutzer zurück.

Fröhlich (1982,S. 99ff.) charakterisiert den Ansatz durch folgende Leitkategorien (vgl. Tulodziecki 1997, S. 102f.):

"Vor dem Hintergrund dieser Merkmale und Leitkategorien kann man die selbstbestimmte Rezeption und Produktion von Medien im Sinne sozialen Handelns und kommunikativer Kompetenz als Prinzipien einer handlungs- und interaktionsorientierten Medienerziehung bezeichnen" (Tulodziecki 1997, S. 103).

Als allgemeine Ziele einer entsprechenden Medienerziehung bezeichnet er (S. 103) somit:

Auf dieser Grundlage entwickelt Fröhlich (1982) eine Art "Stoffkatalog", der jedoch nicht als fester inhaltlicher Kanon gesehen werden darf, sondern als Sammlung von Hinweisen, "aufgrund derer sich in der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden Perspektiven für die medienerzieherische Arbeit entwickeln können" (Tulodziecki 1997, S. 104).

Als Schwierigkeiten des Ansatzes bezeichnet Tulodziecki (1997, S. 104f.):

Als besonders wichtige Akzentsetzungen bewertet Tulodziecki (1997, S. 105), die konsequente Ausrichtung auf das Handeln, den Miteinbezug der Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen, die Verbindung medialer Kommunikation mit personaler Kommunikation (namentlich die Betrachtung von Medienkompetenz als Bestandteil kommunikativer Kompetenz) oder die Verbindung von Schule und Lebenswelt durch projektartige Verfahren

Th. Merz.